Beschluss vom 25.06.2025 -
BVerwG 2 WDB 1.25ECLI:DE:BVerwG:2025:250625B2WDB1.25.0

Erfolgreiche weitere Beschwerde gegen die Feststellung eines Dienstvergehens

Leitsatz:

Ein Soldat, der als Jagdpächter gelegentlich einzelne Portionen Wildbret an Kameraden entgeltlich abgibt, übt damit keine erlaubnispflichtige Nebentätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 SG aus.

  • Rechtsquellen
    SG §§ 7, 20 Abs. 1 und 7
    BBG § 97 Abs. 3
    GewO § 1
    WDO § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 9, § 32 Abs. 2, § 36 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 2 Satz 3
    WBO § 19 Abs. 1 Satz 1
    SGB IX § 178 Abs. 2 Satz 1
    SBG § 28 Abs. 1, § 63 Abs. 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.06.2025 - 2 WDB 1.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:250625B2WDB1.25.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 1.25

In der Disziplinarsache hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke, den ehrenamtlichen Richter Generalmajor Rhode und den ehrenamtlichen Richter Oberst Graichen am 25. Juni 2025 beschlossen:

  1. Es wird festgestellt, dass die Feststellung eines Dienstvergehens vom 23. März 2023 und der Beschwerdebescheid vom 13. November 2023 rechtswidrig waren.
  2. Die Kosten des gesamten Verfahrens werden dem Bund auferlegt. Die dem Soldaten im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Die weitere Beschwerde betrifft die Feststellung eines Dienstvergehens.

2 Der als schwerbehindert anerkannte Soldat ist Mitglied eines örtlichen Personalrats und Pächter eines Jagdbezirks. Ihm wurde vorgeworfen, in seiner Kaserne ohne Nebentätigkeitsgenehmigung in den Jahren 2019 und 2020 zu mindestens zehn Gelegenheiten von ihm erlegtes Wildbret abgepackt und vakuumiert an Kameraden und Zivilbedienstete verkauft zu haben. Mit Verfügung vom 23. März 2023 stellte der Kommandeur ... fest, dass der Soldat dadurch ein Dienstvergehen begangen habe. Er habe mit dem Verkauf von küchenfertig zerlegtem Wildbret ohne Genehmigung eine Nebentätigkeit ausgeübt und gegen das Verbot des Warenverkaufs in Liegenschaften der Bundeswehr gemäß der Allgemeinen Regelung (AR) A-2100/19 (Handel und Gewerbeausübung) verstoßen. Wegen Überschreitens der Verfolgungsfrist werde von der Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme abgesehen.

3 Die Beschwerde begründete der Soldat damit, dass die Ausübung des Jagdrechts zur Urproduktion zähle und nicht als gewerbliche Nebentätigkeit verboten sei. Der Dienststellenleitung sei es seit Jahren bekannt, dass er einen Jagdbezirk gepachtet habe. Er habe mit dem Verkaufserlös keinen Gewinn erzielt, sondern das Wildbret unter Selbstkostenpreis abgegeben. Eine Nebentätigkeitsgenehmigung sei dafür nicht erforderlich. Es handele sich auch nach Einschätzung des Finanzamts um eine reine Liebhaberei. Die Feststellung eines Dienstvergehens sei auch aus Verfahrensgründen aufzuheben, weil vor der Entscheidung weder eine soldatenbeteiligungs- noch eine schwerbehindertenrechtliche Anhörung durchgeführt worden sei. Es handele sich um unzulässige Ermittlungen gegen ihn wegen seiner Personalratstätigkeit. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft habe die Ermittlungen nicht führen dürfen. Die Ermittlungen könnten nur auf Offiziere delegiert werden.

4 Mit Bescheid vom 13. November 2023, ausgehändigt am 22. November 2023, hat der Generalinspekteur die Beschwerde des Soldaten zurückgewiesen. Die zulässige Beschwerde sei unbegründet. Die Übertragung der Ermittlungen auf den Rechtsberater sei zulässig. Bei dem Absehen von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme handele es sich nicht um eine disziplinare Ahndung, sodass eine Anhörung nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz oder Sozialgesetzbuch IX nicht erforderlich gewesen sei. Das Ziel der Ermittlungen sei nicht die Behinderung der Tätigkeit des Soldaten als Vorsitzender im örtlichen Personalrat gewesen. Der Verkauf von selbsterlegtem Wild stehe hiermit in keinem Zusammenhang. Dem Soldaten werde nicht die Jagd als solche zur Last gelegt, sondern der ungenehmigte Vertrieb von verarbeitetem, ungegartem und vakuumiert verpacktem Wildfleisch in einer militärischen Liegenschaft. Der Vertrieb des Wildes sei genehmigungspflichtig, da es sich um eine entgeltliche Nebentätigkeit handele. Dabei komme es auf eine Kostendeckung nicht an. Da es sich um eine entgeltliche Tätigkeit handele, sei auch nicht entscheidend, ob es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handele. Der Verkauf innerhalb der Liegenschaft verstoße gegen die AR A-2100/19, weil der dort verwendete Begriff des Gewerbes nicht deckungsgleich sei mit dem des Gewerbe- und Steuerrechts. Sinn und Zweck sowie die Systematik der Vorschrift sprächen dafür, dass jegliche Warenabsatzversuche, die durch die Vorschrift nicht ausdrücklich erlaubt würden, verboten seien.

5 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2023 hat der Soldat weitere Beschwerde erhoben. Darin wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Schon der objektive Tatbestand einer unerlaubten Nebentätigkeit liege nicht vor, jedenfalls könne ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden, da er sich im Soldatengesetz und der hierzu verfügbaren Kommentarliteratur belesen habe und hier die Jagd als Teil der Urproduktion, nicht als Nebentätigkeit im Rechtssinne eingeordnet werde.

6 Der Generalinspekteur verteidigt die angegriffene Entscheidung. Dem schließt sich die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft vollinhaltlich an.

7 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Generalinspekteurs der Bundeswehr, die Ermittlungsakte des Leitenden Rechtsberaters des Kommandos ... und die Personalgrundakte des Soldaten haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

8 Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Über sie ist nach Art. 5 des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer soldatenrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2024 (BGBl. I Nr. 424) auf der Grundlage der neuen Wehrdisziplinarordnung zu entscheiden.

9 1. Gegen die Feststellung eines Dienstvergehens nach § 36 Abs. 1 WDO ist das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde nach Maßgabe des § 42 Abs. 1, § 43 Abs. 1 WDO gegeben (vgl. BT-Drs. 14/4660 S. 29). Nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WDO befindet das Bundesverwaltungsgericht über die weitere Beschwerde, wenn - wie hier - der Generalinspekteur der Bundeswehr über die Beschwerde entschieden hat.

10 Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht nicht entgegen, dass die Feststellung eines Dienstvergehens gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 9 WDO zwei Jahre nach der Bekanntgabe aus den Personalakten zu entfernen und dieser Zeitraum am 4. April 2025 abgelaufen ist. Mit Ablauf der Tilgungsfrist haben sich die Maßnahme und der Beschwerdebescheid zwar erledigt. Nach § 42 Abs. 1 WDO i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 WBO ist jedoch die Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme festzustellen, wenn der Soldat daran ein berechtigtes Interesse hat. Das nach § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich im vorliegenden Fall aus einer Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2024 - 1 WB 21.23 - juris Rn. 20 m. w. N.). Denn der Soldat ist nach wie vor Jäger und Jagdpächter und als solcher verpflichtet, Wild entsprechend den jagdrechtlichen Vorgaben zu bejagen und erlegtes Wild sachgerecht zu verwerten. Da der Dienstherr sich im laufenden Verfahren auf den Standpunkt gestellt hat, dass der Verkauf von Wildbret - innerhalb und außerhalb von Liegenschaften der Bundeswehr - eine entgeltliche Nebentätigkeit sei, hat der Soldat auch nach Ablauf der Tilgungsfrist ein Interesse an der Klärung dieser Rechtsfrage.

11 Einer entsprechenden Feststellungsentscheidung stehen auch die Besonderheiten des Disziplinarrechts nicht entgehen. Soweit im Hinblick darauf die Ansicht vertreten wird, dass § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO bei Beschwerden in Disziplinarsachen keine Anwendung finde (vgl. Dau/​Scheuren, WBO, 8. Aufl. 2024, § 19 Rn. 1 sowie Dau/​Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022 § 42 Rn. 48), folgt der Senat dem jedenfalls für den hier vorliegenden Fall der Feststellung eines Dienstvergehens nicht. Denn insoweit gibt es keine speziellen Regelungen oder Aspekte, die der von § 42 Abs. 1 WDO grundsätzlich gebotenen Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO widersprechen.

12 2. Die weitere Beschwerde ist begründet, weil die Verfügung vom 23. März 2023 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 13. November 2023 bereits formell rechtswidrig war.

13 a) Sie wurde zwar von dem wegen der Mitgliedschaft des Antragstellers im Örtlichen Personalrat des ... gemäß § 62 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 SBG zuständigen Kommandeur ... getroffen. Der Soldat hat auch Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Absehensverfügung erhalten. Dass die Ermittlungen auf die Rechtsberater - entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht auf die Wehrdisziplinaranwälte - des Kommandos ... übertragen worden sind, widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 1 WDO. Der erkennende Senat hat zum ähnlich formulierten § 28 Abs. 1 SBG entschieden, dass der klare Wortlaut dieser Norm eine Übertragung der Anhörung der Vertrauensperson auf einen Rechtsberater an Stelle eines Offiziers nicht zulässt (BVerwG, Beschluss vom 21. September 2022 - 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 30). Dies gilt entgegen der älteren Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 29. März 1984 - 1 WB 144.82 - NZWehrr 1984, 163) auch hier, zumal der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 32 Abs. 2 Satz 1 WDO den Kreis der Delegatare nicht erweitert hat. Dieser die Sachaufklärung betreffende Verfahrensfehler hat jedoch die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst, weil der zu Grunde liegende Sachverhalt nicht umstritten ist, sodass der Mangel entsprechend § 46 VwVfG unbeachtlich ist.

14 b) Nicht verfahrensfehlerhaft war indes, dass die für den Soldaten zuständige soldatenbeteiligungsrechtliche Stelle nicht angehört worden ist. Im ... wäre die sogenannte Quasi-Vertrauensperson nach § 63 Abs. 2 SBG zu beteiligen gewesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2024 ‌- 1 WB 72.22 - juris Rn. 21). Diese Stelle wäre indessen gemäß § 4 WDO und § 28 Abs. 1 SBG nur bei der "Verhängung von Disziplinarmaßnahmen" anzuhören. Das Absehen von einer Disziplinarmaßnahme ist jedoch, auch wenn es mit der Feststellung eines Dienstvergehens verbunden ist, keine Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2025 - 2 WD 3.24 - juris Rn. 20). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 WDO, der die Überschrift "Absehen von einer Disziplinarmaßnahme" trägt und nur eingreift, wenn der Disziplinarvorgesetzte "eine Disziplinarmaßnahme nicht für zulässig oder angebracht" hält. Dementsprechend führt § 22 WDO die Feststellung eines Dienstvergehens bei den einfachen Disziplinarmaßnahmen nicht auf. Ein Beteiligungstatbestand lag damit nicht vor.

15 c) Hingegen begründet die unterbliebene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung einen Verfahrensfehler. Der Soldat ist unstreitig schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX. Der nach § 211 Abs. 3 Satz 1 SGB IX für schwerbehinderte Soldatinnen und Soldaten unmittelbar anwendbare § 178 Abs. 2 Satz 1 SBG IX verlangt eine umfassende Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren. Die Beteiligung steht zwar unter dem Vorbehalt der ausdrücklichen Ablehnung durch den Betroffenen (vgl. schon BVerwG, Beschluss vom 27. April 1983 - 2 WDB 2.83 - BVerwGE 76, 82 <86>). Dies ist hier jedoch nicht erfolgt. Zweck der Unterrichtung und Anhörung ist es, dass die Schwerbehindertenvertretung dem Schwerbehinderten zur Seite stehen und sich mit einer Stellungnahme in die Willensbildung des Arbeitgebers einbringen kann. (vgl. Dau/​Düwell/​Joussen/​Luik, SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 178 Rn. 39).

16 Demnach ist gemäß § 178 Abs. 2 SGB IX die Schwerbehindertenvertretung nicht nur vor der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme, sondern auch vor der Feststellung eines Dienstvergehens zwingend anzuhören. Denn auch dies ist eine für einen Soldaten nachteilige Personalmaßnahme. Unterbleibt die Beteiligung, leidet die Entscheidung an einem Ermessensfehler. Denn der Dienstherr oder Vorgesetzte konnte die Überlegungen der Schwerbehindertenvertretung nicht in seine Erwägungen einbeziehen (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1990 - 1 WB 36.88 - BVerwGE 86, 244 <253>). Da der Soldat jedenfalls in der Beschwerdebegründung auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen hat, hätten die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 SGB IX spätestens im Beschwerdeverfahren beachtet werden müssen. Eine Heilung entsprechend § 45 VwVfG wäre zwar noch im Gerichtsverfahren möglich gewesen, ist vor der Erledigung der Maßnahme aber nicht erfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2024 - 1 WB 42.22 - PersV 2024, 467 Rn. 32). Der Verfahrensfehler ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Ermessensentscheidung nach Anhörung der Schwerbehindertenvertretung anders ausgefallen wäre.

17 3. Die Verfügung vom 23. März 2023 ist auch materiell rechtswidrig. Das dem Soldaten vorgeworfene Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand eines Dienstvergehens nach § 23 Abs. 1 SG. Der Vorwurf, er habe in den Jahren 2019 und 2020 in zehn Fällen Wildbret aus eigener Jagd an Bundeswehrangehörige in einer Kaserne verkauft, erfüllt nicht den Tatbestand einer erlaubnispflichtigen Nebentätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 SG (a) und begründet auch keinen Verstoß gegen die Pflicht aus § 7 SG, die für Bundeswehrliegenschaften geltenden Verwaltungsbestimmungen zu beachten (b).

18 a) Der Soldat hat nicht gegen seine Pflicht aus § 20 Abs. 1 Satz 1 SG verstoßen, vor Ausübung einer entgeltlichen Nebentätigkeit eine Genehmigung einzuholen. Für die Frage, ob eine Nebentätigkeit vorliegt, verweist § 20 Abs. 7 SG auf das Nebentätigkeitsrecht der Beamten, das in § 97 BBG zwischen einem Nebenamt und der hier allein in Betracht kommenden Nebenbeschäftigung differenziert. § 97 Abs. 3 BBG versteht darunter jede sonstige, nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes.

19 Sinn und Zweck des Nebentätigkeitsrechts ist es allerdings nicht, das Freizeitverhalten und die bloße Hobbybetätigung der Soldaten oder Beamten unter einen allgemeinen Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Vielmehr bezweckt es, Nebenbeschäftigungen einer präventiven Kontrolle zu unterstellen, die nebenberuflichen, gewerblichen oder freiberuflichen Charakter haben. Der Soldat wie auch der Beamte soll außerhalb des Dienstes ein Eigenleben führen, seine Freizeit nach Belieben gestalten und sich seinen Liebhabereien hingeben können (Weimar, DÖD 1966, 23 <23>). Ihm verbleibt ein vom Art. 2 Abs. 1 GG geschützter Freiraum, in dem er diesen sozialadäquaten Tätigkeiten nachgehen kann, die nicht Gegenstand der Beschränkung von Nebentätigkeiten sind (Ilbertz/​Baßlsperger, Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst des Bundes, der Länder und Kommunen, 4. Aufl. 2024, Rn. 24). Hierzu zählt die Ausübung von Hobbys, jedenfalls solange und soweit sie ohne Erwerbscharakter betrieben werden.

20 Ein für die Abgrenzung von erlaubnisfreier Hobbybetätigung und genehmigungspflichtiger Nebenbeschäftigung wichtiger Indikator ist das Erwerbsstreben, das bei der Nebenbeschäftigung regelmäßig im Vordergrund steht. Die Freizeitgestaltung stellt typischerweise das Gegenteil des Erwerbsstrebens dar (VG Magdeburg, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 A 13/11 - juris Rn. 15 zur hobbymäßigen Hundezucht). Wer etwa die Imkerei oder die Malerei aus Liebhaberei betreibt, nimmt dabei dauerhafte Verluste in Kauf, auch wenn mit dem Hobby gelegentliche Einnahmen verbunden sind. Für die Frage, ob noch eine Hobbybetätigung oder schon eine Nebenbeschäftigung vorliegt, spielen neben der Ausrichtung auf Erwerb auch die wirtschaftliche Bedeutsamkeit des Tuns (Höhe der Umsätze und des investierten Kapitals) sowie der Umfang der zeitlichen Inanspruchnahme eine gewichtige Rolle (OVG Magdeburg, Urteil vom 4. Juni 2024 ‌- 10 L 13/23 - juris Rn. 41 m. w. N.; Schnellenbach/​Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 11. Aufl. 2024, § 8 Rn. 3 Fn. 9).

21 Nach diesen Maßstäben ist die Ausübung der Jagd typischerweise als erlaubnisfreie Freizeitbeschäftigung anzusehen. Sie ist zwar regelmäßig mit der entgeltlichen Abgabe erlegten Wildbrets verbunden. Gleichwohl ist sie aber typischerweise nicht auf Schaffung einer finanziellen Nebenerwerbsquelle angelegt. Der Soldat hat unwiderlegt vorgetragen, sein Wildbret nicht kostendeckend, sondern nur gegen einen Anerkennungsbetrag abgegeben zu haben. Im Vergleich zu der von dem Soldaten als Jagdpächter zu zahlenden Jagdpacht im mittleren vierstelligen Eurobereich ist der nachgewiesene fünffache Verkauf einzelner Wildbretportionen pro Jahr nicht wirtschaftlich bedeutsam. Der Soldat hat mit Recht darauf hingewiesen, dass er als Jagdpächter des Weiteren die Kosten seiner Jagdausrüstung (Gewehr, Munition etc.), der Wildtierfütterung, der Tierkörperbeseitigung im Revier und der notwendigen Jagdversicherungen zu tragen habe. Dass der sonstige Verkauf von Wildbret außerhalb der Kaserne zu einem Einnahmeüberschuss geführt hätte, ist vom Soldaten nachvollziehbar bestritten und vom Dienstherrn nicht in Frage gestellt worden. Dass sein Finanzamt die Jagdausübung als Liebhaberei eingestuft hat, spricht ebenfalls gegen das Vorliegen einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung. Ferner ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Einnahmen und Ausgaben des Soldaten aus der Jagd den üblichen Rahmen gesprengt oder dass diese Freizeitbetätigung ihn in zeitlicher Hinsicht über Gebühr in Anspruch genommen hat.

22 b) Der Soldat hat auch nicht gegen seine Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG verstoßen. Diese Pflicht verlangt zwar auch die Beachtung von Verwaltungsvorschriften des Dienstherrn (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2011 - 2 WD 5.10 - juris Rn. 39). Gemäß Nr. 101 der in den Jahren 2019/2020 geltenden Version 3 der Allgemeinen Regelung (AR) A-2100/19 "Handel und Gewerbeausübung" waren in allen Liegenschaften der Bundeswehr gewerbliche Tätigkeiten außerhalb der Aufgaben und des Auftrages der Dienststelle, die eine Beziehung zum Handel, Gewerbe oder zu Dienstleistungsbereichen erkennen lassen, grundsätzlich nicht zulässig. Hierzu zählte "insbesondere der Warenverkauf".

23 Bei der Auslegung dieser Verbotsnorm kann im Bereich des Wehrdisziplinarrechts nicht von dem nach Auskunft des Bundesverteidigungsministeriums bei der Anwendung des Erlasses in der Praxis bestehenden Verständnis ausgegangen werden, demzufolge Warenverkäufe auch jenseits einer gewerblichen Betätigung erfasst sind. Zwar werden Verwaltungsvorschriften im Allgemeinen im Subventions- und Dienstrecht aus Gleichbehandlungsgründen (Art. 3 Abs. 1 GG) so ausgelegt, wie sie in der Verwaltungspraxis angewendet werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. April 2012 - 8 C 18.11 - BVerwGE 143, 50 Rn. 31 f. und vom 13. Oktober 2021 - 2 C 6.20 - BVerwGE 173, 361 Rn. 23 sowie Beschlüsse vom 22. Juni 2017 - 1 WB 15.17 - juris Rn. 29 und vom 29. Juni 2017 - 1 WB 11.16 - juris Rn. 40). Im Wehrdisziplinarrecht geht es jedoch nicht um die Gleichbehandlung bei der begünstigenden Vergabe von Fördermitteln oder der Gewährung dienstrechtlicher Vorteile oder Leistungen, sondern um die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 20 Abs. 3 GG). Daher kann die mangelnde Befolgung eines Befehls oder Erlasses einem Soldaten nur zum Vorwurf einer schuldhaften Pflichtverletzung gemacht werden, wenn sich aus ihnen das geforderte oder untersagte Handeln objektiv betrachtet hinreichend bestimmt ergibt.

24 Nach dem für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2023 - 1 WRB 1.22 - BVerwGE 180, 373 Rn. 28) enthält die Dienstvorschrift AR A-2100/19 aber nur ein Verbot für "gewerbliche Tätigkeiten" und zählt zu diesen "insbesondere" den Verkauf von Waren. Dies legt den Rückschluss nahe, dass private Verkaufsgeschäfte zwischen Soldaten ohne gewerblichen Hintergrund damit nicht verboten sind. Ein möglicherweise gewolltes Verbot "gewerbeähnlicher" Warenverkäufe aus dem Bereich der Jagd, Fischerei oder Landwirtschaft (Urproduktion) kommt in der Verwaltungsanweisung objektiv zumindest nicht eindeutig zum Ausdruck. Daher musste auch der zuständige Rechtsberater des Kommandeurs erst im Verteidigungsministerium nachfragen, ob die Verwaltungsvorschrift auf einen nicht gewerblichen Verkauf anwendbar sei. Es ist zudem weder dargelegt noch ersichtlich, dass dem Soldaten ein diesbezügliches Verständnis der Verwaltungsvorschrift vor den Verkaufshandlungen vermittelt worden wäre, sodass er damit hätte rechnen müssen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2021 ‌- 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 24). Dieses Verständnis kann daher nicht Grundlage einer disziplinaren Ahndung sein.

25 Der vom Soldaten durchgeführte Verkauf von Wildbret aus eigener Jagd erfüllt auch nicht die Kriterien einer gewerblichen Tätigkeit. Da die Verwaltungsvorschrift den Begriff der gewerblichen Tätigkeit nicht definiert, ist bei der gebotenen objektiven Auslegung dieser Anweisung auf den im Wirtschaftsrecht üblichen Gewerbebegriff zurückzugreifen. Danach wird davon jede erlaubte selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit erfasst, die auf Gewinnerzielung gerichtet und auf Dauer angelegt ist, mit Ausnahme der Urproduktion, der freien Berufe und der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1976 - 1 C 56.74 - NJW 1977, 772).

26 Nach diesem Maßstab kann der Verkauf des aus eigener Jagd stammenden Wildbrets bereits von der Ausnahme der Urproduktion erfasst sein. Darunter wird die Erzeugung und der Verkauf roher Naturprodukte verstanden, die in Land- und Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, Viehzucht, Jagd und Fischerei gewonnen werden. Demnach sind auch die Jagd und der Verkauf des bei der Jagd erbeuteten Fleisches grundsätzlich keine gewerblichen Tätigkeiten (Friauf, GewO, 349. Lfg. 2025, § 1 Rn. 155; Pielow, BeckOK GewO, 65. Ed. 2022, § 1 Rn. 170). Hingegen fallen üblicherweise mit der Metzgerei verbundene Verarbeitungsstufen des Fleisches nicht mehr unter die Urproduktion.

27 Unstreitig vom Jagdprivileg erfasst sind das Enthäuten und Zerlegen des Wildes in große Teile, die lebensmittel- und europarechtlich unter die erste Verarbeitungsstufe (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 AEUV) fallen, sowie deren Verkauf (Friauf, GewO, 349. Lfg. 2025, Rn. 156 m. w. N.). Das Zerlegen des Wilds in bratfertige Stücke (küchenfertiges Zerwirken) und der vorliegende Verkauf vakuumiert verpackter Wildbretportionen wird hingegen der zweiten Verarbeitungsstufe zugeordnet und deswegen nicht mehr zur Urproduktion gezählt (vgl. v. Ebner, GewArch 1983, 1 <9 f.>). Dies gehört jedenfalls nicht zum traditionellen Bild des Fleischverkaufs in der Landwirtschaft (VG Koblenz, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 3 L 1621/07.KO - juris Rn. 6). Einer abschließenden Klärung der Frage, ob dies bei der Jagdausübung traditionell anders bewertet wird, bedarf es nicht.

28 Denn es fehlt im vorliegenden Fall jedenfalls an dem für eine gewerbliche Betätigung konstitutiven Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht. Die subjektive Gewinnerzielungsabsicht setzt voraus, dass ein unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil erwartet wird, der zu einem Überschuss über die Kosten der Tätigkeit führt, wobei der beabsichtigte Überschuss über die eigenen Aufwendungen nicht nur geringfügig sein darf (vgl. Eisenmenger, in: Landmann/‌Rohmer, GewO, 93. EL 2024, § 1 Rn. 22 bis 25 m. w. N.). Der Soldat hat jedoch - wie ausgeführt - unwiderlegt und nachvollziehbar dargelegt, die Jagd aus Liebhaberei ohne Einnahmeüberschuss und ohne Gewinnerzielungsabsicht zu betreiben, sodass kein disziplinarrechtlich relevanter Verstoß gegen Nr. 101 AR A-2100/19 vorliegt.

29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 42 Abs. 1 WDO i. V. m. § 20 Abs. 1 WBO.